Übersicht Forschungsschwerpunkte

Forensische Genetik

Die Abteilung Forensische Genetik entwickelt und optimiert modernste DNA-Analysemethoden für die forensische Fallarbeit. Von der Qualitätskontrolle beim Next-Generation-Sequencing über die DNA-Methylierung zur Altersschätzung bis hin zur Einzelzellanalyse und RNA-basierten Körperflüssigkeitsbestimmung – die Projekte zielen darauf ab, präzisere und aussagekräftigere Ergebnisse für die Strafverfolgung zu erzielen.

Entwicklung eines Modells zur DNA-Methylierungs­basierten Altersschätzung

Alina Senst, Lara Magro, Iris Schulz


Die DNA-Methylierung ist eine chemische Veränderung der DNA, bei der mit Hilfe von Methylgruppen bestimmte Gene ein- oder ausgeschaltet werden können. Aufgrund von altersabhängigen Veränderungen der Methylierungsmuster ist es möglich, Modelle zur Vorhersage des chronologischen Alters zu entwickeln. Insbesondere seit das Gesetz Phänotyp-basierte Vorhersagen zulälsst, hat die Etablierung und Implementierung präziser Modelle mit hoher Vorhersagegenauigkeit eine hohe Relevanz.

Für die Entwicklung eines Altersmodells wurde ein eigenes sowie ein QIAseq Targeted Methyl Custom Panel (Qiagen) mit altersabhängigen Methylierungsmarkern für Blutproben generiert. Dazu wurden die Marker ausgewählt, die eine hohe Spezifität und Altersabhängigkeit aufweisen. Im ersten Schritt wurde die DNA mit Bisulfit behandelt. Dieser chemische Prozess ermöglicht es, methylierte von nicht-methylierten DNA-Abschnitten zu unterscheiden. Im Anschluss erfolgte die Erstellung von DNA-Libraries, „Bibliotheken“ von markierten DNA-Fragmenten. Im weiteren Verlauf des Projektes wurden die aufgereinigten DNA-Libraries mit dem MiSeq FGx System (Illumina) sequenziert, und basierend auf den Sequenzierdaten wurde ein Modell entwickelt, das eine möglichst genaue und zuverlässige Altersschätzung in der forensisch-genetischen Fallarbeit ermöglicht.

Einzelzellanalyse in der Forensik und damit verbundene technische und biologische Herausforderungen der Mischspurenauftrennung  

Janine Schulte, Eva Scheurer, Iris Schulz


In der forensischen DNA-Analyse stellt die Zuordnung einzelner zellulärer Bestandteile biologischer Mischungen verschiedener (z.B. Ejakulat-Blut) oder gleicher Zusammensetzung (z.B. Blut-Blut) zu einer oder mehrerer Personen von Interesse ein grundlegendes Forschungsproblem dar. Je mehr Personen an einer Mischspur beteiligt sind, desto schwieriger oder sogar unmöglich wird deren Auswertung. Ein vielversprechender Forschungsansatz ist daher, die Mischspur vor der genetischen Analyse in ihre Einzelbestandteile aufzulösen und die verschiedenen Zelltypen getrennt voneinander zu untersuchen. Im Rahmen eines PhD-Doktorats wurden am IRM verschiedene Zelltrennungsmethoden für forensische Zwecke wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt.

Der Forschungsschwerpunkt lag auf den Einzelzelltechnologien, die es ermöglichen, Mischspuren verschiedener Zelltypen und Spurengeber in Einzelbestandteile zu trennen und gezielt bestimmte Zellen zu identifizieren und zu isolieren. Die damit verbundenen technischen (z.B. Zellverlust) und biologischen (z.B. Interpretation) Herausforderungen wurden erforscht. In einer wissenschaftlichen Studie mit Genitalabstrichproben von Freiwilligen, die vergleichbar sind mit Proben nach Sexualdelikten, wurde die Leistung der Zellanreicherung mittels Differentieller Extraktion (inkl. Vortest und Spermiennachweis) mit zwei Einzelzelltechnologien, der Lasermikrodissektion und dem weiterentwickelten DEPArray™-System (Abb. 1) hinsichtlich Spermiendetektion und Genotypisierungserfolg methodisch verglichen.

Die Ergebnisse zeigen, dass bildgebende Einzelzellverfahren die Standardmethoden hinsichtlich der Zelltyperkennung und -zuordnung massgeblich erweitern können (Abb. 2). Die Auftrennung in Einzelbestandteile ist insbesondere bei homogenen Mischspuren (z.B. Blut-Blut) bedeutsam, oder wenn Standardmethoden keine oder unzureichende Ergebnisse liefern. Durch diese Forschungsarbeit konnte das Methodenspektrum für genetische Analysen am IRM bis zur einzelnen Zelle erweitert werden, was die fundierte Beantwortung kriminalistischer Fragestellungen verbessert oder, bei gleichen Spurentypen, überhaupt ermöglicht.

Bewertung der RNA-basierten Körperflüssigkeitsbestimmung mittels kombinierten m/miRNA-Panel für Proben aus sexuellen Übergriffen

Janine Schulte, Nicole Rittiner, Anna Legendre, Rahel Dietrich, Nora Vaniapurackal, Sarah Kron, Eva Scheurer, Iris Schulz


Während DNA-Profile Informationen über die Identität einer Person liefern, gibt die klassische DNA-Analyse keinen Aufschluss über die Art und Herkunft des biologischen Materials, was bei der Rekonstruktion des Tathergangs aber von Bedeutung sein kann. Zwar gibt es etablierte Methoden zur Körperflüssigkeitsbestimmung wie immunologische Tests, die auf Antikörper-Antigen-Reaktionen basieren, jedoch haben diese Einschränkungen in Bezug auf Spezifität und Sensitivität. Zudem wird bei jedem Test ein Teil der Probe verbraucht, der somit nicht mehr für die klassische DNA-Analyse zur Erstellung eines DNA-Profils genutzt werden kann. Deshalb hat die gleichzeitige Extraktion und Analyse von DNA und RNA an Bedeutung gewonnen, wobei die Analyse von mRNAs als körperflüssigkeitsspezifisch und die von miRNAs als besonders robust gilt.

Am IRM wurde ein m/miRNA-Multiplex-Test entwickelt, um fünf wichtige Körperflüssigkeiten (Blut, Ejakulat, Speichel, Vaginalflüssigkeit und Menstruationsblut) zu identifizieren. Dieser Test wurde optimiert und auf Sensitivität, Spezifität und Robustheit geprüft. Das aktuelle 19-Plex-Assay (Abb. 1) umfasst fünfzehn mRNA- und drei miRNA-Marker, darunter ein neuer Marker für Vaginalflüssigkeit, der bei künstlich hergestellten Proben eine bessere Unterscheidung zwischen Speichel und Vaginalsekret ermöglicht. Für die Bearbeitung von realen Sexualdeliktsmischspuren wurde darüber hinaus ein Protokoll entwickelt, welches bei der DNA/RNA Ko-Extraktion Spermien anreichert und so dem Überschuss an weiblichen Zellmaterial entgegenwirken soll. Dieser neue Ablauf soll künftig an simulierten Fallproben getestet werden.

Tupfer Lagerungsstudie

Ilona Seiberle, Jonathan Währer, Janine Schulte, Sarah Kron, Iris Schulz

Eine effiziente Spurensicherung von DNA-Spuren ist für den Erfolg der forensischen DNA-Analyse und Unterstützung zur Aufklärung einer Straftat entscheidend. In der Regel werden hierfür forensische Tupfer verwendet. Da die DNA-Analyse jedoch nicht immer direkt nach der Spurenabnahme durchgeführt wird, kann eine Lagerzeit die Qualität und Quantität der DNA beeinflussen. Dies war die Motivation für die Durchführung dieser Tupfer Lagerungsstudie.

Für die Studie wurden Blut und Speichel getrennt auf fünf verschiedene forensische Tupfermodelle aufgebracht. Die Abstriche wurden getrocknet und bei Raumtemperatur gelagert, was den durchschnittlichen Lagerungsbedingungen für reale Fallproben entspricht. Die DNA wurde aus den Tupfern zu unterschiedlichen Zeitpunkten über einen Zeitraum von mehr als viereinhalb Jahren extrahiert und die Proben quantifiziert sowie DNA-Profile von ihnen erstellt.

Die gemessenen DNA-Konzentrationen der Speichelproben nehmen im Vergleich zu den Blutproben mit zunehmender Lagerungsdauer schneller ab. Die DNA-Konzentrationen bei Blut bleiben über die Lagerung hinweg eher stabil, siehe Abbildung. Die bisher verwendeten Forensix Tupfer schnitten im Vergleich gut ab. Der Copan Crime Scene-Tupfer hingegen wies bei den ersten Probenahmezeitpunkten der Speichelproben die niedrigsten DNA-Konzentrationen auf, obwohl bei allen Tupfern die gleiche Probenmenge verwendet wurde. Sowohl bei Blut als auch bei Speichel schnitt dieser Tupfer sowohl bezüglich DNA-Konzentration als auch bei der Zunahme der Degradierung mit fortschreitender Lagerungsdauer am schlechtesten ab.

Diese Studie macht deutlich, wie wichtig es ist, verschiedene Tupfermodelle zu testen und wie entscheidend dies für den Erfolg der DNA-Analyse sein kann.