Methodenentwicklung und Qualitätssicherung
Die kontinuierliche Weiterentwicklung und Optimierung von Analysemethoden ist ein zentraler Bestandteil unserer Forschungsarbeit. Im Berichtsjahr konnten durch innovative Ansätze sowohl die Effizienz als auch die Nachhaltigkeit unserer Verfahren deutlich gesteigert werden. Von der Entwicklung einer mobilen App zur Todeszeitpunktschätzung über verbesserte DNA-Analyseverfahren bis hin zu ressourcenschonende Methoden in der forensischen Toxikologie zeigen unsere Projekte das breite Spektrum methodischer Innovationen.
Mobile Applikation zur Todeszeitpunktschätzung basierend auf Körperkerntemperatur und postmortalen Veränderungen
Andrea Zirn, Holger Wittig, Joel Bottoni, Kathrin Gerlach, Eva Scheurer, Claudia Lenz, Celine Berger
Bei forensischen Untersuchungen ist es wichtig, den Todeszeitpunkt so genau wie möglich abzuschätzen. Dafür werden die Körperkerntemperatur und Veränderungen am Körper nach dem Tod untersucht. In der Praxis wird die Beurteilung dieser Parameter direkt am Fundort einer verstorbenen Person durchgeführt. Das kann jedoch zu Ungenauigkeiten führen, weil nicht alle Einflussfaktoren rechnerisch berücksichtigt werden können – zum Beispiel die Kleidung oder Bedeckung des Verstorbenen, die den Kühlprozess beeinflusst. Solche Korrekturfaktoren werden meist erst später, nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz, mit einbezogen.
Um das Verfahren zu vereinfachen und alle Faktoren zu berücksichtigen, wurde eine mobile Anwendung entwickelt, mit welcher der Todeszeitpunkt bereits vor Ort möglichst genau abgeschätzt werden kann. Unsere Anwendung läuft auf iOS- und Android-Systemen und bietet eine umfassende Lösung, indem sie für die Schätzung des Todeszeitpunkts alle relevanten Faktoren direkt vor Ort berücksichtigt.
Agilent 2100 Bioanalyzer Instrument als Qualitätskontrolle für Next-Generation-Sequencing


Alina Senst, Hannah Bonsiepe, Sarah Kron, Iris Schulz
Das Next-Generation-Sequencing (NGS) ermöglicht eine effiziente und präzise Sequenzierung einer grossen Anzahl genetischer Marker. Es bestehen jedoch Herausforderungen in Bezug auf die Bearbeitung komplexer und degradierter Proben sowie der Sicherstellung gleicher molarer Konzentrationen in gepoolten Proben. Da eine optimale Konzentration der interessierenden DNA-Fragmente entscheidend ist für die Qualität der Sequenzierung, sind sowohl die Bestimmung der Qualität als auch der Quantität unverzichtbar für die Vorbereitung von DNA-Libraries („Bibliotheken“ von markierten DNA-Fragmenten).
Im Rahmen der Studie wurde der Agilent 2100 Bioanalyzer (Agilent) als Qualitätskontrolle für DNA-Libraries untersucht. Der Agilent 2100 Bioanalyzer ist eine automatisierte Elektrophoreseplattform und ermöglicht mit einem geringen Probeneinsatz von 1 μl den Nachweis von Adapterdimeren, die einen negativen Einfluss auf die Sequenzierqualität haben können. Die Ergebnisse der Sensitivitätsstudie zeigen, dass mit abnehmender DNA-Konzentration auch die Konzentration der Adapterdimere abnimmt. Wie bereits in früheren Studien beobachtet, konnte aufgrund von Abweichungen bei der gemessenen DNA-Konzentration sowie den durchschnittlichen Peak-Höhen keine Reproduzierbarkeit der Daten festgestellt werden. Dennoch zeigte die Analyse von stark degradierten Proben, dass Adapterdimere erfolgreich nachgewiesen werden können. Die Identifizierung von Dimeren und DNA-Libraries mit niedriger Qualität vor der Sequenzierung kann kostspielige Wiederholungen verhindern und den Erfolg der Sequenzierung positiv beeinflussen. Entsprechend ist der Agilent 2100 Bioanalyzer ein zeiteffizientes, kostengünstiges und benutzerfreundliches System zur Qualitätskontrolle von DNA-Libraries.
Spectrum CE System
Simon Egger, Sarah Kron, Alicia Lange, Alina Senst, Iris Schulz
Klassische DNA-Profile werden in der Forensik mittels Kapillarelektrophorese erstellt. Mit dieser Technologie werden DNA-Merkmale ihrer Länge nach aufgetrennt (Fragmentlängenanalyse). Um gleichzeitig mehrere DNA-Merkmale mit gleicher Länge untersuchen zu können, werden diese fluoreszenzmarkiert. Je mehr DNA-Merkmale untersucht werden, desto spezifischer wird das DNA-Profil. Mit der bisher einzigen Kapillarelektrophorese-Plattform von Applied Biosystems ist eine Untersuchung mit bis zu 6 Fluoreszenzkanälen möglich. Die neue Plattform von Promega, das Spectrum CE System, ermöglicht eine Untersuchung von bis zu 8 Fluoreszenzkanälen. So können mehr DNA-Merkmale gleichzeitig untersucht und ein Fokus auf die Untersuchung kleinerer DNA-Fragmentgrössen gelegt werden. Dies ist vor allem bei degradierten Proben hilfreich, die z.B. bei Cold Cases, aber auch bei der Identifizierung von Vermissten oder Katastrophenopfern vorkommen können.
Das IRM erhielt die Möglichkeit das neue PowerPlex® 18E PCR-Kit von Promega mit dem Spectrum CE als Beta Tester zu untersuchen. Dieses Kit vervielfältigt 16 autosomale DNA-Merkmale, 1 Y-Merkmal sowie 2 Qualitätsmarker über 8 Fluoreszenzkanäle hinweg. Der Grossteil der amplifizierten Fragmente ist zwischen 80-240 bp «kurz», während sie bei konventionellen PCR-Kits bis zu 400 bp lang sein können. Beim Beta Test zeigten sich sehr gute Ergebnisse bzgl. Reproduzierbarkeit, Präzision, Sensitivität und Peakbalancen. Die Signalschwellenwerte waren im Vergleich zum 6-Kapillarsystem geringer, was durch Anpassungen kompensiert werden kann. Die neue Plattform wird zukünftig daher für die Untersuchung von Speichelproben eingesetzt. Der Einsatz für Spuren wird noch detaillierter geprüft.
«Green Analytics» in der forensischen Toxikologie
In der forensischen Toxikologie wurden vier neue Methoden entwickelt und erfolgreich in die Praxis eingeführt, die den Standards der «Green Analytics» entsprechen. Dabei wurde das benötigte Probenvolumen (Blut, Urin) um den Faktor 10 bis 100 auf nur 0,05 mL pro Probe reduziert. Zudem wurde die Probenvorbereitung erheblich vereinfacht. Dies führt dazu, dass teilweise toxische organische Lösungsmittel nicht mehr erforderlich sind und insgesamt wesentlich weniger Lösungsmittel sowie Kunststoffutensilien für die Analyse benötigt werden. Darüber hinaus benötigen die Proben deutlich weniger Platz im Gefrierschrank, was eine energieeffiziente Lagerung ermöglicht.
Optimierte Screening-Methoden für Arznei- und Betäubungsmittel
Konkret konnten durch die neue Screening-Methode für Arznei- und Betäubungsmittel zwei bisherige Methoden ersetzt werden. Diese neue Methode ermöglicht eine verbesserte Identifizierung von Substanzen sowie eine retrospektive Untersuchung von Proben auf beispielsweise unbekannte Designerdrogen, ohne dass eine wiederholte Aufarbeitung und Analyse erforderlich sind. Somit können personelle und materielle Ressourcen geschont werden.
Fortschritte in der Cannabis-Analytik
Für zukünftige klinische Studien wurde eine neue Methode zur Analyse von Cannabisinhaltsstoffen entwickelt. Mit dieser Methode kann der Abbau dieser Substanzen im menschlichen Körper genauer beschrieben werden, mit dem Ziel, zwischen akutem und länger zurückliegendem Konsum zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist von entscheidender Bedeutung für eine mögliche Legalisierung von Cannabis und dessen Regulierung im Strassenverkehr.
Neue Perspektiven für Forschung und Prävention
Die neuen Methoden in der forensischen Toxikologie eröffnen zahlreiche innovative Forschungsansätze, da selbst kleinste Blutmengen nun vor Ort oder sogar zu Hause entnommen werden können. Dies ermöglicht nicht nur neue Verfahren zur Überwachung des Strassenverkehrs, sondern auch fortschrittliche Ansätze in der Gesundheitsprävention.